
Stella Gaitano – Endlose Tage am Point Zero
- Stephanie Schaefers
- April 28, 2025
- #erzählungen, #gegendasvergessen, #stellagaitano, #weiblicherkanon
Die oft nur wenige Seiten umfassenden Erzählungen in ENDLOSE TAGE AM POINT ZERO kreisen um Entbehrung und Unterdrückung, Gewalt und Fluchterfahrungen. Stella Gaitano fokussiert genau die Realität, die die Menschen im Sudan und Südsudan seit Jahrzehnten erleben, über die aber derzeit kaum berichtet wird.
„Der Süden ist ihnen Hoffnung und Sehnsuchtsort, zugleich verheißt er Unbekanntes“ (71)
„Die Grenze ist eine Festung, niemand kann hinüber oder herüber, die Rückkehrer müssen in der Glut von Kosti ausharren“ (74)
Erzählbar macht sie diese Themen, indem sie ihre Texte auf kleine Räume und wenige Figuren reduziert: Eine einsame Matratze unter freiem Himmel, ein klappriger Bus, der in die Nacht hinausfährt, eine Hütte in einem abgelegenen Dorf, eine dunkle Behausung in einem von Schüssen erschütterten Wohnviertel – beengte Räume, die wenig Schutz bieten für die Menschen, die sich darin aufhalten, die sich nur dort festhalten können.
Die 13 Erzählungen stammen ursprünglich aus zwei verschiedenen Bänden, die die südsudanesische Autorin 2004 und 2015 in arabischer Sprache veröffentlicht hat, also in den Jahren vor und nach der Unabhängigkeit des Südsudans vom Sudan.
Die eigenen biografischen Erfahrungen der Autorin, die eng mit der wechselvollen Geschichte des Sudans und Südsudans verbunden sind, spiegeln sich in den Lebensumständen der fiktiven Figuren wider. In schnörkelloser Sprache schildert Gaitano die harten, immer um die eigene Existenz und Identität kreisenden Gefühle der Figuren, die Familienangehörige im Bürgerkrieg oder in ethnischen Kämpfen verloren haben.
„Ich habe alles gesehen: wie sie uns getötet, beraubt und unsere Schwestern, Mütter, sogar Großmütter vergewaltigt haben. Und wie sie neben unseren Leichen gefeiert haben.“ (65)
Manche Geschichten sind so schlicht aufgebaut, dass sie wie zeitenthobene Parabeln wirken, andere tauchen so intensiv in Lebensmomente ein, dass man mit den Figuren atmet, riecht, schmeckt und zittert. Hoffnungsvoll sind die Erzählungen dann, wenn über das vermeintlich Trennende hinweg, menschliches Miteinander und gegenseitiges Mitgefühl aufleuchten.
„Der Tod hatte ihnen jäh die Zuversicht genommen. Alle trauerten still für sich und Hände suchten Trost in den Händen anderer.“ (40)
Stella Gaitano lebt seit 2022 als Stipendiatin des PEN International Writers-in-Exile-Programms in Deutschland. ENDLOSE TAGE AM POINT ZERO wurde im Sommer 2024 in die »Weltempfänger 63. Litprom-Bestenliste« aufgenommen und ist für den LiBeraturpreis 2025 nominiert!
Übersetzung: Aus dem Arabischen von Günther Orth
[Unbezahlte Werbung, eigenes Exemplar]
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Infos zum Buch
Genre Erzählungen
Verlag Edition Orient
Seitenzahl 110
ISBN 978-3945506-325
Erscheinungsdatum 07.03.2024