Regina Denk – Die Schwarzgeherin

„Es galt das ungeschriebene Gesetz des Zusammenhalts, der die kleine Gemeinschaft hier in der Härte der Berge über Generation schon vereinte und das Leben unter allen Unwürdigkeiten und gegen die Gefahren, die von Mensch und Tier ausgingen, überhaupt erst möglich machte.“ (153)

Schneebedeckte Berggipfel, undurchdringliche Tannenwälder, nebelverhangene Pfade, dazwischen ein verstecktes Dorf: In einem kleinen Tiroler Passtal wächst um 1850 die kleine Theres auf, einzige Tochter des wohlhabenden Bauern Lachermeyer. Ungestüm, stolz und willensstark tritt Theres auf, macht immer, was sie will, ihr fürsorglicher Freund Leopold, der einzige Bub am Xantner Hof, steht ihr treu zur Seite. Dass ihre Väter sie bald verheiraten wollen, dass ihre Verbindung die Machtstrukturen im Dorf festigen soll, verdrängt Theres lange. Mit Entsetzen muss sie miterleben, wie ihre zarte Mutter, um der Familie einen männlichen Erben zu schenken, nach Jahren vieler Totgeburten und früher Kindsverluste stirbt.

„Zu früh hatte sie die Mutter verloren, und dieser Schmerz hatte sich wie eine Decke über alle glücklichen Momente des Davors gelegt.“ (67)

Theres spürt, dass sie etwas anderes vom Leben erwartet, dass sie sich nach Freiheit und Selbstbestimmung sehnt. Noch weiß sie nicht, dass sie das im engen Gefüge ihres Heimatdorfes nicht finden kann. Doch einige Jahre später hat Theres Entscheidungen getroffen, die sie zur Ausgestoßenen ihrer eigenen Familie und Dorfgemeinschaft machen. Als ‚Schwarzgeherin‘ lebt sie in einer kargen Hütte oberhalb des Dorfes. Die Bauern nutzen ihr Wissen als Naturheilerin, verfluchen sie aber als Hexe.

„Verfluchte Dickschädel, verfluchte, zu stolz, um rechtzeitig nach Hilfe zu schicken. In all den Jahren is keiner gscheiter geworden.“ (193)

Theres zur Seite steht einzig ihre Tochter Maria, die nicht weiß, warum sie und ihre Mutter von allen gemieden werden, die sich aber nichts sehnlicher wünscht, als Teil der dörflichen Gemeinschaft zu sein.

Im Jahr 1883 erzählt eine namenlose Bäuerin einem Fremden die Geschichte der Schwarzgeherin in rückblickenden Versatzstücken. Dies bildet den äußeren Rahmen um die Romanhandlung, die abwechselnd in verschiedene Lebensjahre von Theres springt und zu Maria ins Jahr 1882. Welches Leid ist der lebenshungrigen Theres widerfahren, das sie zur hart auftretenden Schwarzgeherin werden ließ?

„Nichts in diesem Leben konnte ihr noch Heilung bringen.“ (226)

Regina Denk ist mit DIE SCHWARZGEHERIN ein atmosphärisch düsterer und spannungsvoll verschachtelter Roman gelungen, der in eine leidvolle Zeit und an einen entlegenen Ort des falschen Schweigens zurückführt, wo ein Frauenleben fast nichts bedeutete und falsche Machtansprüche zu Misstrauen, Aberglauben und Vereinzelung führten.

Über das Gefangensein in versteinerter Einsamkeit, über das Ausbrechen aus auferlegten Zwängen und vergifteten Abhängigkeiten, über das Finden der eigenen Stimme und familiären Zusammenhalt.

„Als Frau bleibt dir am Ende niemand, außer denen, denen du selbst das Leben geschenkt hast. Nichts sonst ist sicher für uns in dieser Welt.“ (196)

[Werbung, selbst gekauftes Exemplar]

Infos zum Buch

Genre Roman
Verlag
Droemer Verlag
Seitenzahl 416
ISBN 978-3426447-239
Erscheinungsdatum 02.09.2024