VATI wollte er von seinen Kindern genannt werden. Doch was wussten sie von diesem Vati? Still und zerbrechlich wirkte er, war einst äußerlich wie innerlich versehrt auf dem Krieg gekommen, liebte leidenschaftlich die Literatur und Bücher, verschwand nach dem Tod seiner Frau mehrere Jahre für seine Kinder, und sprach später kaum über diese Lebensphase mit ihnen.

Die erwachsene Tochter blickt auf das Leben ihres Vaters zurück. Nähert sich ihm durch ein erinnerndes, kindliches Ich, aber entdeckt durch Erzählungen anderer und die zeitliche Distanz noch mehr als den Vater: Sie findet das scheue, zarte Kind namens Josef, das einen mehrfach vergebenen Schicksalsnamen innerhalb der Familie trägt. Entdeckt den jungen Mann Josef, der der Vorbestimmung eines ärmlich-ländlichen Lebens entkommen will, sich ehrgeizig weiterbildet, der Verwalter eines Kriegsopfererholungsheims auf der Tschengla wird. Bis dort, in dem kleinen Paradies, wie die Familie diese Zeitspanne rückblickend benennt, alles zerbricht.

Bereits im Roman DIE BAGAGE erzählte Monika Helfer entlang am Leben ihrer Großmutter Maria über das entbehrungsreiche Aufwachsen ihrer Mutter Grete und deren Geschwister. In einem kleinen Bergdorf zwischen den zwei Weltkriegen musste die Familie gegen Armut und Abhängigkeiten kämpfen. Im zweiten Teil ihrer Familientrilogie – der dritte Band LÖWENHERZ ist bereits erschienen – stellt die Autorin den Vater ins Zentrum des autofiktionalen Erzählens. Doch auch hier tritt der beeindruckende familiäre Zusammenhalt der Bagage hervor. Es sind die Geschwister der Mutter, die sich, während Vater Josef verschwunden ist, über Jahre um die Kinder kümmern. Obwohl die Tanten und Onkel selbst wenig Raum, Geld und kaum Zeit für wärmende Worte besitzen, geben sie den Kindern in physischer Form und durch konkretes Handeln Beistand und Halt.

Monika Helfer überzeugt in ihrer Herkunftsgeschichte durch ihren schnörkellos-lakonischen Erzählstil, der glättend-mildernde Erinnerungs-Überzüge und flüchtig Wahrgenommenes sowie schmerzhaft Verdrängtes freilegt. Sehr lesenswert!

[unbezahlte Werbung, eigenes Exemplar]