Lisa Weeda – Tanz, tanz Revolution

Vor langer Zeit gab es den Notschnik. Ein Wesen, das sich zwischen Leben und Tod bewegte, aber einst dem Bösen unterlag und dieses fortan nur mit Hilfe der Menschen bekämpfen darf. So gibt es sein weißes Fell an eine weise Stara, eine Dorfälteste, die es der nächsten Stara vererbt, ebenso wie die Gabe, das Dunkle fernzuhalten durch den Svaboda Samoverzjenja, einen Tanz, der zu früh Verstorbene wieder zum Leben erweckt.

„Die Aufgabe zu tanzen, liegt nicht mehr bei mir, sondern bei euch Menschen. Es liegt jetzt an euch, die schlechten Toten zurück ins Leben zu holen.“ (75)

Jahrhunderte später ist Baba Yara die Stara ihres Dorfes, das wie das ganze Land Besulia vor einer feindlichen Invasion steht. Was können Baba Yara, ihre Enkelin Anna und die wenigen anderen Dorfbewohner:innen, die nicht geflüchtet sind, den Angreifenden, ihren Bomben und ihrer todbringenden Gewalt entgegenstellen? Baba Yara tanzt den Svaboda Samoverzjenja. Anna teilt ihre Geschichte und den lebensspendenden Tanz über soziale Netzwerke. Kann eine digitale Verbindung ihnen und anderen das Leben retten?

Sie kann. Denn vier Jahre später findet Toni die Tanzvideos im Netz. Der Krieg in Besulia ist zum Alltag der Welt geworden. Doch es sind weniger die Kämpfe, die die Menschen belasten, als die Toten von Besulia, die einfach unter ihrem Sofa oder im Bett auftauchen. Die erstarrten Körper in den privaten Räumen der Menschen, die fern vom Kriegstreiben leben, erinnern somit jeden Tag an den Krieg in Besulia. Toni, die einst selbst aus einem Nachbarland von Besulia floh, sammelt diese Kriegsopfer als ‚Body-Pick-Up‘-Arbeiterin ein. Doch sie will nicht mehr nur die schlechten Toten beseitigen und den Krieg verdrängen. Nun wollen sie und andere mit dem Svaboda Samoverzjenja die Toten endlich wieder auferstehen lassen.

„Tanz für uns! Das klingt vielleicht verrückt, aber dein Tanz stärkt uns. Je mehr von Euch überall auf der Welt tanzen, desto besser!“ (136)

Es ist der feine Riss durch die Realitätsebene, der diesen Roman zu etwas Besonderem macht. Obwohl Lisa Weeda für ihren zweiten Roman einen skurrilen Plot gewählt hat und sich sprunghaft durch Zeit, Raum und Figurenperspektiven bewegt, wirkt das Beschriebene nie unglaubwürdig oder überzogen. Wie selbstverständlich entfernt sich das Erzählte von der vermeintlichen Realität, unterläuft gängige Vorstellungen, ohne dabei den direkten Bezug zum Kriegsgeschehen unserer Welt zu verlieren.

Eine Parabel darüber, wie gemeinschaftliche Willenskraft und Solidarität den Kampf gegen dunkle Mächte aufnehmen können. Ein ebenso aufrüttelnder wie fantasievoller Appell gegen vorschnelles Wegschauen und falsches Vergessen. Nur Stillstand wäre das Ende, also tanzt, tanzt!

„Krieg beginnt nicht mit Explosionen“, haben wir irgendwo einmal gehört. „Krieg beginnt mit Stille“ (134)

Übersetzung: Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann

[Werbung, Rezensionsexemplar]

Infos zum Buch

Originaltitel dans dans revolutie
Genre Roman
Verlag
Kanon Verlag
Seitenzahl 176
ISBN 978-3985681082
Erscheinungsdatum 20.03.2024

Vielen Dank an den Kanon Verlag und die Buch-PR-Agentur Literaturtest für das Rezensionsexemplar!