Verena Boos – Die Taucherin
- Stephanie Schaefers
- Juli 24, 2024
- #kanonverlag, #roman, #spanien, #weiblicherkanon
Als Kinder haben sich Amalia und Marina wie Seelenschwestern gefunden. Eine Schicksalswahl, denn die aus dem Schwarzwald stammende Amalia verbrachte den Sommer 1982 mit ihrem Vater Georg in Valencia. Während Georg als Theologe die Geschichte des Heiligen Grals erforschte, war Amalia bei Marina.
„Monatelang hatten sie den Alltag geteilt, waren in eine Klasse gegangen, sich ähnlich und doch verschieden wie Schneeweißchen und Rosenrot. An Fallas waren sie zur Jungfrau der Schutzlosen gepilgert und hatten ihr rote und weiße Nelken dargebracht. […] Amalia hatte eine neue Sprache gelernt und damit auch neue Räume in sich aufgemacht.“ (100)
Fasziniert von Marinas Liebe zum Meer, fühlte Amalia, die festen Boden und hohe Berge mag, eine tiefe Verbundenheit. Valencia, die spanische Sprache und Kultur – Amalia liebte alles. Sie fühlte sich ihr Leben lang überall fremd, aber am wenigsten in Valencia und bei Marina.
Heute sind Amalia und Marina Mitte 40. Beide führen ein unstetes Leben, ohne weitere feste Bindungen leben sie für ihre Forschungen (Anthropologie bei Amalia, Ozeanographie bei Marina). Wann immer es möglich ist, verbringt Amalia ihre Zeit in Valencia. Ein Forschungsauftrag könnte sie langfristig dorthin führen. Die plötzliche Absage der Forschungseinrichtung enttäuscht sie sehr, zumal Marina distanziert und abweisend reagiert. Ist ihre Freundschaft über die Jahre verloren gegangen?
Als Marina einige Monate später ganz verschwindet, reist Amalia vom elterlichen Glottertal nach Valencia. In ihrer Herzensstadt spürt Amalia wieder die Verbundenheit mit dem Ort und den Menschen. Doch schon bald ziehen sich Erinnerungsspuren weit in die Vergangenheit, gehen tief in die deutsche und spanische Geschichte und in die konkreten Familien von Amalia und Marina hinein.
Verena Boos hat mit DIE TAUCHERIN einen besonderen Freundinnen-Roman geschrieben, denn die intensive Beziehung zwischen Amalia und Marina findet in der Erzählgegenwart nur durch Amalias Rückschau statt. Zugleich bewegt sich Amalia mit sehr guter Orts- und Sprachkenntnis durch das gegenwärtige Valencia, ihre spezielle Perspektive wahrt jedoch gewisse Distanz. Der Wechsel zwischen gegenwärtigem Erleben und intensiven Rückblicken verleiht der Geschichte eine Dynamik, die durch Marinas Verschwinden fast krimihaft weiter aufgeladen wird.
„War Marina abgetaucht, untergegangen in einer Depression?“ (168)
Ein spannender und pulsierender Roman, der mich in das Valencia von gestern und heute mitgenommen hat und brisante Verbindungen zwischen deutscher und spanischer Geschichte aufzeigt. Atemlos gelesen!
„Sie hatte einmal erzählt, dass sie beim Tauchen an ein Gefühl aus weiter Ferne anknüpfen konnte, an etwas Archaisches, ein Getragensein.“ (13)
[Werbung, Rezensionsexemplar]
Infos zum Buch
Genre Roman
Verlag Kanon Verlag Berlin
Seitenzahl 288
ISBN 978-3985681303
Erscheinungsdatum 24.07.2024
Vielen Dank an den Kanon Verlag und die Agentur Literaturtest für das Rezensionsexemplar!