
Stefanie Sargnagel – Iowa. Ein Ausflug nach Amerika
- Stephanie Schaefers
- Januar 26, 2025
- #amerika, #autofiktion, #humor, #rowohlt
Runzelige Nuggets und endlose Hot-Dog-Variationen an Tankstellen, Camouflage-Strampler und „Gun-Smoke“-Parfüm in Waffengeschäften, ein Pie-Contest in einer Kirchengemeinde, sexistische Witze auf der Toilette einer abgehalfterten Bar, unbenutzte Bürgersteige in einer Kleinstadt, in der die Einwohner jeden Meter im Pickup zurücklegen und in die nur einmal am Tag ein Greyhoundbus kommt – das sind die Entdeckungen, über die Stefanie Sargnagel in IOWA schreibt.
Sargnagel wird 2022 als Dozentin für Creative Writing an ein kleines Privatcollege nach Grinnell im US-Bundesstaat Iowa eingeladen. Plötzlich findet sich die österreichische Künstlerin nach Monaten der Corona-Isolation in einer völlig neuen Form der Einsamkeit und Leere wieder. Begleitet wird Sargnagel glücklicherweise von Künstler:innen-Freundin Christiane Rösinger. Mit der über 60-jährigen Punkrock-Ikone aus Berlin-Kreuzberg wird die Reise immer wieder zum Ereignis.
„Man kann lässig bleiben, chaotisch, trotzig und charmant. Für immer Punk. Noch nie hatte ich eine weibliche Zukunftsvision gesehen, die mich so zuversichtlich stimmte.“ (71)
Gemeinsam ironisieren sie ihren Entdeckungsdrang, der in der Abenteuer-Leere Iowas schnell an seine Grenzen stößt, ebenso wie ihre unterschiedlichen Generationszugehörigkeiten und die damit verbundenen Lebenseinstellungen.
„wir gehen die siebenhundert Meter einfach zu Fuß, weil wir Punks sind, abenteuerlustig und verwegen.“ (76)
Besonders unterhaltsam sind die in den Text eingestreuten Fußnoten von Christiane Rösinger, die das Erlebte zusätzlich kommentiert und witzige Gegendarstellungen einfügt.
Aus der Zeit gefallene Diner oder Videoläden, riesige Walmarts oder skurrile Amish-People-Kolonien – all das erinnert die beiden Künstler:innen in den besseren Momenten an verträumte TV-Serien oder Filme der 1980er Jahre und in den schlechteren an Katastrophen-Thriller. Auf der Suche nach dem „echten“ amerikanischen Kleinstadtleben begeben sich Sargnagel und Rösinger auf die Nachtseite ihrer eigenen Vorurteile, die sich in vielen alltäglichen Begegnungen teils bestätigen, teils völlig auflösen.
„Entdecken ist tot. Früher bedeutete Reisen, von einer Ungewissheit in die nächste zu taumeln, (…) Daraus ergaben sich unwahrscheinliche Momente.“ (199)
Vielleicht ist es heute subversiv, ja geradezu Punk, über eine Nicht-Reise zu schreiben. Über einen AUSFLUG NACH AMERIKA, das uns ohnehin gerade von Tag zu Tag fremder erscheint.
IOWA ist ein unterhaltsamer und vielschichtiger Text, direkt, unverstellt und brachial – so wie man die Autorin kennt – beschreibt Stefanie Sargnagel eine unspektakuläre Reise, auf der sie sich gekonnt drastisch selbst reflektiert, den eigenen (europäischen) Standort erkundet und ihre Freundschaft zu Christiane Rösinger feiert.
„Das ist alles so ulkig“ , sage ich zu Christiane, obwohl ich dieses Wort sonst nicht verwende. Aber es ist einfach ulkig, nicht komisch, nicht lustig: einfach eindeutig ulkig.“ (80)
[unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar]
Infos zum Buch
Genre Biografischer Roman
Verlag Rowohlt Buchverlag
Seitenzahl 304
ISBN 978-3498003-401
Erscheinungsdatum 19.12.2023
Vielen Dank an den Rowohlt Buchverlag für das Rezensionsexemplar!