„Es war weit nach Mitternacht, Strand und Wasser lagen im Mondschein. Draußen herrschte komplette Windstille. Wie ein Bergsee ruhte das Meer, schwarz und verzaubert. Weit hinten am Horizont piksten winzige Lichter ins Schwarz. Fischerboote und Frachtschiffe auf der Reise hinaus in die weite Welt, doch hier in der Bucht war alles ruhig.“ (328)
Blaugrau, meerzerzaust und fern vom hektischen Treiben großer Städte: Ballybrady, der kleine Ort an der irischen Küste, ist Rückzugsort verschiedener Charaktere. Die mürrisch-verschrobene Grace lebt seit Jahren hier, verkauft selbstgenähte Quilte an Stadtmenschen, und gibt sich ansonsten mit ihrem Hund dem rauen Küstenleben hin.
„Ihr Blick wanderte vom Laden weg die schattenreiche Straße hinab zu ihrem Haus, wo der Hund auf sie wartete. Sie sollte einfach heimgehen, ohne den Jungen, niemand würde sich wundern, dass sie einfach abgehauen war, schließlich galt sie als verrückt. Das war ihr großer Vorteil. Sie hatte komplette Narrenfreiheit.“ (182)
Ihre Ruhe wird gestört, als sich Städter Evan für eine Woche in ihrem Urlaubscottage einmietet. Auf der Suche nach Entschleunigung und absoluter Einsamkeit will er hier seine Gedanken sortieren, will entscheiden, ob es mit seiner Ehe, seinem Job, ja, mit seinem Leben weitergehen soll.
„Er war wirklich sicher gewesen, dass er sterben wollte, da draußen in der Bucht. War mit diesem Wunsch losgerudert, das erkannte er jetzt.“ (75)
Der Ausbruch der Covid-Pandemie verlängert Evans Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Der Kontakt zu Grace und den anderen zunächst verschroben wirkenden Bewohner:innen von Ballybrady verändert sich. Als dann noch Evans 8-jähriger, gehörloser Sohn Luca und Graces herzlich-direkte Nichte Abby hinzukommen, gerät die kleine Gemeinschaft in starke innere und äußere Bewegung, ein Verstecken vor den dunklen Tiefen der Vergangenheit ist nicht mehr möglich.
Mir hat die Atmosphäre der grauen-schweigsamen Tage von MITTERNACHTSSCHWIMMER gefallen. Durch den kleinen, begrenzten Ort mit seinen wenigen, aber kratzig-kantigen Figuren wird die äußere Handlung verlangsamt und konzentriert sich auf die inneren Gefühlszustände der Protagonisten und ihre Beziehungen zueinander. Im Wechsel springen die Kapitel in die Perspektive von Grace und Evan, die sich zunächst sehr skeptisch begegnen, aber sich bald in ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren lernen. Etwas befremdlich erschien mir allerdings Evans selbstmitleidiger Umgang mit seinem Sohn Luca und seiner Taubheit, gerade da hätte ich mehr Sensibilität mit stereotypen Zuschreibungen und Begrifflichkeiten um seine Beeinträchtigung gewünscht. Manche Wendung und Handlungsstränge wurden mir am Ende ein wenig zu harmonisch miteinander verbunden.
Ein Roman, der anhand seiner Figuren anschaulich düstere Gefühlszustände beschreibt, der das irische Küstenleben und raue Herzenswärme jenseits festgeschriebener Normalität feiert! Gerne gelesen!
[Werbung, Rezensionsexemplar]
Infos zum Buch
Originaltitel Night Swimmers
Genre Roman
Verlag DuMont Buchverlag
Seitenzahl 352
ISBN 978-3832168292
Erscheinungsdatum 15.07.2024
Vielen Dank an den DuMont Buchverlag für das Zusenden des Rezensionsexemplares!