
Lucy Fricke – Das Fest
- Stephanie Schaefers
- Mai 21, 2025
- #lucyfricke, #roman
„Kein Haus, kein Kind, kein Baum“ – diese Bilanz zieht Jakob an seinem 50. Geburtstag. Es fehlte ihm weder an Chancen noch an Menschen, um ein Leben zu führen, das sich genau um solche Bestandteile gedreht hätte. Aber Jakob wollte so ein Leben nicht führen. Dachte er zumindest. Er fragt sich grundsätzlich, ob ihm in den letzten Jahren nicht einiges abhandengekommen ist: Vertrauen, Zuversicht, Erfolg – und insbesondere die Fähigkeit, über vermeintliche Fehltritte und verpasste Gelegenheiten unbeschwert zu lachen. Nach einer Feier zu seinem 50. Geburtstag ist ihm jedenfalls nicht.
„Wann hatte es aufgehört, dass man die Welt erobern wollte? Und man stattdessen von Gleichgültigkeit niedergewalzt wurde, die Welt zu einer Nachricht verkam, zu einem niederschmetternden Thema, das nichts als Schrecken bereithielt“ (28)
Ellen ist jedoch anderer Meinung. Sie ist seit dreißig Jahren Jakobs beste Freundin und kennt ihn und seine Vergangenheit sehr gut. Sie wäre bereit gewesen, mehr als nur seine Freundin zu sein, aber beide haben immer den richtigen Zeitpunkt verpasst, um den einen Schritt in eine Liebesbeziehung zu gehen.
Als Ich-Erzählerin blickt Ellen auf den kriselnden Jakob, zieht sich im zweiten Kapitel aber charmant zurück: „Ich war verschwunden und würde es bleiben“ (20). Ellen wartet, beobachtet und kommentiert humvorvoll-ironisch aus dem Hintergrund. Sie schickt Jakob auf eine besondere Geburtstagtour, die ihn überraschend mit Menschen zusammenbringt, die er verloren glaubte – ebenso wie die Gefühle und Erinnerungen zu ihnen. Die Begegnungen sind schmerzvoll in mehrfacher Hinsicht, aber auch augenöffnend und heilsam. Denn nicht immer trägt nur eine Person, die Schuld an dem, was war – oder nicht war.
Ein weiterer erzählerischer Twist ist, dass all die Beulen, Dellen und Verletzungen, die Jakob im Laufe seines Lebens erfahren hat, plastische Gestalt annehmen: ein verlorener Zahn, ein blaues Auge, ein gequetschter Finger…. Jakob bekommt von seiner Vergangenheit noch mal eine ordentliche Tracht Prügel verpasst. Am Ende steht er nicht nur metaphorisch als sichtbar vom Leben gezeichnete Person da, aber das Erfrischende daran: Jakob kann plötzlich wieder darüber lachen – und zwar nicht allein, sondern gemeinsam mit Menschen, die Schmerz und Freude mit ihm teilen. Vielleicht sind so manche inneren und äußeren ‚Verwüstungen‘ doch verzeihlich?
Ein humorvoller und einfühlsamer Text, der das Leben mit all dem, was gewollt oder ungewollt in Schieflage gerät, mit seinen unerfüllten Sehnsüchten und unverzeihlichen Fehltritten, aber auch den kleinen raren Momenten, in denen sich in der Gegenwart alles richtig anfühlt, feiert!
[Werbung, eigenes Exemplar]
Infos zum Buch
Genre Roman
Verlag Claassen
Seitenzahl 144
ISBN 978-35461009-53
Erscheinungsdatum 17.10.2024