Sebastian Guhr – Der spanische Esel

Seinen ersten Film „Ein andalusischer Hund“ drehte er mit Dalí, mit dem er sich beim zweiten Drehbuch zerstritt. Der fertige Film löste einen Skandal aus und brachte ihm die Anerkennung der Surrealisten ein. Nun will er einen neuen Film drehen. Sein Freund Ramón wird ihn finanziell unterstützen. Doch das Problem: „Alle drehen jetzt surrealistische Filme, weshalb es keine surrealistischen Filme mehr sind“ (13). Er will raus aus der Pariser Kunstblase und das Leid der einfachen Menschen zeigen. Spanien, sein Geburtsland, ist „völlig verrottet“ und daher gut geeignet. Zusammen mit Ramón, Lyriker Pierre und Kameramann Eli reist er nach Las Hurdes, in die spanische Extremadura. Dort will er einen surrealen Dokumentarfilm über Menschen drehen, die wie abgeschnitten von der Welt leben. Krankheit, Armut und Tod sind allgegenwärtig. „Ihn interessieren die Geschichten der Gescheiterten einfach mehr als die der Erfolgreichen.“ (19)

Er ist Luis Buñuel.

Doch in Las Hurdes lässt der „Triumph des Todes“ auf sich warten. Darf Luis, der ungeduldige Regisseur, seiner Neigung zum Irrationalen, zur Welt des Traumes und der Fantasie nachgeben und das ‚Material‘ verändern? Als Surrealist sucht er die Übersteigerung, aber wo liegen die Grenzen eines dokumentarischen Kunstwerks? Während der Dreharbeiten bringt Luis´ mitgebrachter Revolver Mensch und Tier in seiner Umgebung in reale Gefahr.

Direkt und unvermittelt wird der Lesende in DER SPANISCHE ESEL an die Seite des Protagonisten Luis gestellt, treibt mit ihm durch die Pariser Bohème-Szene, erträgt mit ihm den tristen Drehort Las Hurdes und taucht fast unmerklich in die Gedanken und Gefühle von Luis ein, also tief ins Innere des Ichs. Spannend, wie der Autor Sebastian Guhr dennoch die distanzierte Perspektive und die eigene Vorliebe seiner porträtierten Hauptperson wahrt, denn: „Er denkt gern über sich in der dritten Person nach“ (20).

Ein dicht erzählter Roman, der auf kleinstem Raum eine grotesk-surreale Szenerie entwirft und auf der Inhalts- wie auf der Genreebene viele Fragen zu Dichtung und Wahrheit aufwirft und mich zu einigen Recherchestunden über Buñuel angeregt hat.

Wer Interesse hat, findet im Netz sehr schnell Buñuels Originalfilm „Las Hurdes, Terre sins pain“ (Tierra sin pan) aus dem Jahr 1933, über dessen Entstehung der Roman erzählt. Die s/w-Sequenzen, fast noch der Stummfilmära zugehörig, haben nach der Lektüre und der fiktiven wie dokumentarischen Hintergrundgeschichte eine große Wirkung.

[Werbung, Rezensionsexemplar]

Infos zum Buch

Genre Roman
Verlag
Berenberg
Seitenzahl 88
ISBN 978-3949203817
Erscheinungsdatum 09.02.2024

Vielen Dank an den Berenberg Verlag und Agentur Kirchner Kommunikation für das Zusenden des Rezensionsexemplars!