Percival Everett – James

„Es lohnt sich immer, Weißen zu geben, was sie wollen, deshalb trat ich in den Garten und rief in die Nacht hinaus: „Wersndas da draußnim Dunkeln?“ (11)

Was das für eine seltsame Sprache ist, die der Ich-Erzähler James da spricht? Nun, es ist die Sprache, die die Weißen verdienen. Die Sprache, die Menschen wie Jim nutzen, um sich selbst, ihre Gedanken und Gefühle, ihr Wissen und ihr Leben zu schützen. Denn, obwohl sie auf unmenschlichste Weise ausgebeutet, geschändet, gefoltert und getötet werden, bewahren sie so ihre verborgene Identität und besitzen ihren unantastbaren Raum. James ist Sklave und befindet sich am Mississippi, kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs 1861.

James spielt täglich auf der ‚weißen‘ Bühne den unwissenden Sklaven Jim. In Abwesenheit der Weißen gibt er Tochter Lizzie und anderen Kindern ‚Sprach- und Rollenunterricht‘ und liest nachts in Richter Thatchers Bibliothek, was er über die Welt erfahren will und muss. James und andere Sklaven fristen ein entwürdigendes Dasein, nur ihre heimliche Allianz lässt sie überleben. Doch durch unglückliche Zufälle gerät James in falschen Verdacht, muss sich von seiner Familie trennen und Richtung Norden fliehen. Begleitet wird er von dem Jungen Huck, auch bekannt als Huckleberry Finn, der schon immer eine besondere Beziehung zu James hatte.

Brillant, wie Percival Everett die Geschichte von „Huckleberry Finn“ neu erzählt. Wie es ihm gelingt, die unerzählte Perspektive von James alias Jim in den Mittelpunkt zu stellen und gleichzeitig das Original von Mark Twain zu zitieren. Everett entfaltet einerseits einen turbulenten Abenteuerroman, der die Grausamkeit der historischen Folie nicht ausspart, andererseits stellt er zeitlose Fragen über Rassismus, Menschlichkeit, Freiheit und betont vor allem die subversive Kraft von Sprache und Schrift.

„Ich schrieb, um mein Denken zu erweitern, ich schrieb, um meine eigene Geschichte auf den neuesten Stand zu bringen, und fragte mich die ganze Zeit, ob das überhaupt möglich war.“ (303)

Vielleicht braucht man einen Moment, um sich in die sperrige Sklaven-Kunstsprache einzufinden, die der Übersetzer Nikolaus Stringl sehr gut ins Deutsche übertragen hat, aber dann reißt einen die turbulente Geschichte von JAMES mit. Eine unvergessliche Lektüre voller Witz, Ironie, Klugheit, Wut und Tragik.

„Es ist eine schreckliche Welt. Die Weißen versuchen uns einzureden, dass alles gut sein wird, wenn wir in den Himmel kommen. Meine Frage ist: Werden sie dann auch dort sein? Wenn ja, sehe ich mich vielleicht nach was anderem um.“ (162)

Übersetzung: Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl.

[unbezahlte Werbung, eigenes Exemplar]

Infos zum Buch

Originaltitel James
Genre
Roman
Verlag Carl Hanser Verlag
Seitenzahl 336
ISBN 978-3446279483
Erscheinungsdatum 18.03.2024