Martin Rasper – An der Quelle

Wir betrachten, spüren und lieben sie: rauschende Meere, sanft glitzernde Seenlandschaften, reißende Flüsse oder ruhig plätschernde Bäche. Als lebensspendende Räume faszinieren sie uns, ziehen unsere ständige Aufmerksamkeit auf sich, obwohl wir ihre Naturgewalt auch als lebensbedrohlich fürchten. Weit weniger interessieren uns die Ursprünge dieser Wasserlandschaften. Wo liegen ihre kleinen, oft unscheinbaren Quellen? Wo ist der Ort, an dem das Wasser kurz zuvor noch in der Erde verborgen war, dann in die Welt hinaustritt, zu einer messbaren Größe anwächst und schließlich zu einem erlebbaren Naturraum wird?

Martin Rasper hat sich AN DER QUELLE (oder besser: an vielen Quellen) auf eine umfassende Suche gemacht. Der Geologe und Journalist beobachtet reale Quellorte, die mal als Rinnsal in einem versteckten Wäldchen beginnen, mal naturnahe, kleine Wildbäder sind oder wie in Donaueschingen oder Baden-Baden als Quellort fast schon touristisch inszeniert werden. Kenntnisreich und mit viel Liebe zum Detail kategorisiert der Autor die verschiedenen Quelltypen und beschreibt die sensiblen Quellbiotope auch anhand ihrer Tier- und Pflanzenwelt. Kleinste Lebewesen, wie Bachflohkrebse (als Titelmotiv zu sehen) und Quellschnecken, leben hier.

Neben der realen Erkundung des Raumes durchdringt Rasper auch die symbolische Bedeutung und mythischen Kräfte von Quellen, die in Figuren wie Nymphen, Nixen, Brunnenfrauen und Quellgeistern Gestalt annehmen. Spannend ist, dass Frau Holle eigentlich eine kapriziöse, Männer verführende Nixe war, die auf dem Grund eines Teiches lebte und mit einer wilden Feenschar durch die Wälder fegte. Im Ausspruch „Holla, die Waldfee“ ist dieser Mythos noch heute präsent.

Quellen- und Heilbäder haben eine umfangreiche Kultur- und Literaturgeschichte, und prägten über Jahrhunderte maßgeblich die Siedlungsgeschichte und das gesellschaftliche Leben in Deutschland. Der Glaube an die heilende Kraft der Quellen ließ zahlreiche Bade- und Kurorte, Quell- und Heilbäder mit pittoresken Quelltempeln, prächtigen Trinkhallen und Wandelgängen entstehen, die bis heute große Anziehungskraft besitzen.

Der Mensch hat sich die natürlichen Quellorte zu eigen gemacht, doch trägt heute nicht unerheblichen Anteil am Quellensterben. Quellen versickern auf natürliche Weise, werden aber vor allem durch Siedlungstätigkeit, industrielle und landwirtschaftliche Wassernutzung verändert. Es ist der Mensch, der den natürlichen Wasserkreislauf zerstört.

So bleibt nach dieser Lektüre die Erkenntnis, dass Quellen zu allen Zeiten und in allen Kulturen wichtige Naturorte sind. Grund- bzw. Quellwasser ist vor allem als unterirdische Landschaft existent, die wenig Aufmerksamkeit und Schutz erfährt, ohne die aber kein Leben möglich wäre und die unseren achtsamen Umgang erfordert.

Fazit: Ein weiterer, wunderbarer Text aus der Essayreihe EUROPEAN ESSAYS ON NATURE AND LANDSCAPE. Ergänzt wird der Text durch filigrane Zeichnungen, historische wie aktuelle Karten, wunderschöne Fotos und sehr viele nützliche Tipps und Links für die eigene, konkrete Begegnung mit Quellen.

Also: Wer sich noch nicht auf die Suche nach Quellen in der eigenen Umgebung gemacht hat, sollte zumindest lesend „An der Quelle“ sein!

[Werbung, Rezensionsexemplar]

Infos zum Buch

Genre Essay
Verlag
KJM Buchverlag
Seitenzahl 144
ISBN 978-3961942374
Erscheinungsdatum 01.03.2024

Vielen Dank an den KJM Buchverlag und die Agentur Buch Contact für das Rezensionsexemplar!