Jeetzenbeck. Einst lag der kleine (fiktive) Ort in Sachsen-Anhalt an der Amerikalinie, über die Menschen in die weite Welt reisten, kein Ziel schien zu fern, nichts unerreichbar. Das ist lange her. Im Jahr 2023 wird die einzige Zugverbindung zur nächsten Stadt eingestellt. Jeetzenbeck. Ein kleiner Ort in der Provinz scheint unerreichbar.

Marcel lebt in Jeetzenbeck. Als Jugendlicher wollte er lieber malochen als auf der Schule festzuhocken, verließ sie daher nach der 9. Klasse. Am liebsten wollte er Fußballprofi werden. So viel Zukunft funkelte vor Marcels Augen. Doch dann kam so vieles anders. Erst verschwand sein Vater. Marcels Jugendliebe Steffi verließ ihn kurz darauf. Und dann wählte Marcels kleine Schwester Vanessa den wohl drastischsten Aus-Weg aus Jeetzenbeck und raste mit Marcels Citroën frontal in die Friedhofsmauer des Nachbardorfes. Mehr als 20 Jahre liegt das alles zurück. Marcel ist einer der wenigen, die keinen Weg aus Jeetzenbeck genommen haben. Marcel ist mit seiner Mutter geblieben, genauso wie Schulfreund Pascal und dessen Vater Dirk.

„Bei uns rochen alle nach Motoröl, grauer Erde und ABM – Arbeiten bis Mittag.“ (44)

Marcels Zukunft? Die bekam eine Vollbremsung. Marcel arbeitet in der Drehfleischbude und kann sich kaum ein Heimspiel des FC Magdeburg leisten. Marcel grölt Fangesänge und nickt zu lauter Scooter-Musik, aber in ruhigen Momenten hört er über Kopfhörer Simon & Garfunkel und denkt immer noch an Steffi.

„ich musste an Steffi denken. Verdammt, es gab nicht einen Tag, an dem ich nicht an sie denken musste. Wie lange war sie jetzt weg? Es waren fast zwanzig Jahre.“ (53)

Als Steffi plötzlich tatsächlich zurückkehrt und auch Marcels Vater auftaucht, brechen all die vergessenen Erinnerungen und Träume wieder auf. Kann Marcel, kann Jeetzenbeck nochmal neue Fahrt aufzunehmen?

Direkt und schonungslos, verletzlich und rau – Domenico Müllensiefen, selbst in der Altmark in Sachsen-Anhalt aufgewachsen, ist seinen Figuren und Räumen sprachlich und gedanklich so nahe, dass SCHNALL DICH AN, ES GEHT LOS ein vielschichtiger und besonders authentischer ostdeutscher Herkunftsroman ist, der die bedrohlichen Brüche und die beunruhigende Leere provinzieller Orte spiegelt. Deutsch-deutsche Wiedervereinigung, Rassismus und Rechtsextremismus, Arbeitslosigkeit und Kriminalität, Armut und Verlust – Müllensiefen gibt keine wertenden Erklärungsversuche zu diesen Themen, er beschreibt die Menschen, die an diesen meist unbeachteten Orten leben, lässt sie selbst erzählen.

„Ab und zu bekomme jeder mal eins in die Fresse. Er könne sich gar nicht daran erinnern, dass mal irgendwann niemand eins in die Fresse bekommen habe.“ (49)

Ein Roman, der mich trotz seiner derben Sprache, seiner fluchenden und dauerrauchenden Figuren berührt hat. Manchmal war mir der Scooter-Sound etwas zu laut, vielleicht hätte ich mehr Simon & Garfunkel-Töne benötigt. Aber es musste so sein, es hat gepasst, und eines ist klar: Holprige Umwege, vermeintliche Überholspuren, schmerzhafte Einbahnstraßen – Jeetzenbeck, ich kenne jetzt viele deiner Wege, Jeetzenbeck ist sehe dich.

[Werbung, Rezensionsexemplar]