Die ehrgeizige Julia, die romantische Sylvie, die fürsorgliche Emeline und die energische Cecilia: Die vier Töchter der Familie Padavano wirken – trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere wie ein wunderbares, unzertrennliches, vierblättriges Kleeblatt. „Hallo, du Schöne“, begrüßt Vater Charlie jede einzelne, wenn er ihr seine Zuneigung zeigen will. Die strenge Mutter Rose hingegen möchte ihre Töchter vor allem stark und unabhängig sehen.

„es war unerlässlich, dass ihre Mädchen etwas lernten, stark und unabhängig wurden, fähig, auf eigenen Füßen zu stehen, ungebrochen von etwas, das so kompliziert und unzuverlässig wie die Liebe war“ (46)

Gleichzeitig mahnt sie ihre Töchter durch weibliche Heiligenbilder zu moralischen Tugenden. Die erwachsene Cecilia wird diese Heiligen später zum Vorbild nehmen, um die Häuserwände ihres Viertels mit überdimensionalen Porträts zu schmücken, die alle den Padavano-Frauen gleichen.

„Drei Stockwerke nahm die heilige Klara in Anspruch. Sie hatte sich den Erwartungen ihrer Familie und der Gesellschaft widersetzt, hatte sich geweigert, als Teenager zu heiraten und ihr Leben aufzugeben, noch bevor es angefangen hatte. Sie war ein Sinnbild für weiblichen Mut – die Frau dort auf der Mauer war fraglos mutig.“ (301)

Pilsen heißt das Viertel von Chicago, in dem die Schwestern in den 70er Jahren mit ihren Eltern in einem kleinen Ziegelsteinhäuschen leben. Vor allem Julia will weg aus dem Arbeiterviertel, das geprägt ist von Einwandererfamilien wie den Padavanos. Als sie den stillen, aber gutmütigen William kennen lernt und bald heiratet, glaubt Julia, ein aufstrebendes Leben zu beginnen.

„Wer in einem vollen, kleinen Haus wie sie aufgewachsen war, träumte davon, mit dem Erwachsenwerden mehr Platz zu bekommen. Von etwas Eigenem, das man nicht teilen musste.“ (79)

Obwohl sie an ihren Schwestern festhält, bekommt die zuvor intakte Familie durch das neue Familienmitglied William schicksalhafte Risse und der Zusammenhalt der Schwestern, der sich auch auf die späteren Töchter Izzy und Alice überträgt, droht zu zerbrechen.

HALLO DU SCHÖNE ist ein Liebesroman der besonderen Art. Die amerikanische Autorin Ann Napolitano erzählt einfühlsam und wendungsreich von mutigen und erschütternden Liebesbeziehungen: Von großer Schwesternliebe, herausfordernder Mutter-Tochter-Liebe, gleichgeschlechtlicher Liebe oder der Liebe zu Kunst und Sport. Die Perspektivwechsel zwischen den Figuren Sylvie, Julia (später Alice) und William verleihen der Gesamtgeschichte Dynamik und ermöglichen tiefe Einblicke in unterschiedliche Gefühlslagen.

Obwohl ich eher straff erzählte, schmale Romane mag, habe ich die Padavano-Schwestern gerne durch fast 50 erzählte Lebensjahre und die über 500 Buchseiten begleitet. Am Ende musste ich mich wehmütig von ihnen und dem leuchtendbunten Pilsen trennen. Sehr gerne gelesen!

Übersetzung: Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence.

[Werbung, eigenes Exemplar]